`Lina´Caroline Lewandowski
geboren am 2. Februar 1875 in Kassel, Hessen, Deutschland
ermordet am 3. Mai 1943 in der deutschen Mordstätte Sobibor
Familie
Lebensdaten
Dora Mosberg; Linas Schwester
Biografie
Caroline Linas Mutter Olga und ihr Vater Julius stammten beide aus Neiße an der Oder, einer kleinen Stadt in Oberschlesien. Das Paar heiratete 1873. Ab wann sie in Kassel lebten, ist unbekannt. Ihr Vater Julius Mecca verdiente den Familienunterhalt als Kaufmann. Er unterhielt mehrere Firmen, verteilt über die Stadt. Caroline wurde 1875 in Kassel geboren. Drei Jahre später kam ihre jüngere Schwester Dora zur Welt. Die Eltern ermöglichten ihren beiden Kindern eine gute Schulbildung an der höheren Töchterschule. Beide Töchter galten als außerordentlich gebildet.
Gründung der eigenen Familie
Caroline Lina heiratete am 8. Mai 1895 den Hamburger Jakob Lewandowski. Er betrieb eine Wollwäscherei am Rande von Kassel. Das Paar bekam vier Kinder. Herbert kam 1896 zur Welt, die Tochter Irma 1903 und 1911 folgten die Zwillinge Hans Wolfgang und Paul Walter. Die Familie zog 1911 in eine größere Wohnung in die Hohenzollernstraße 78, die heutige Friedrich-Ebert-Straße. Caroline Lewandowski war es wichtig, dass ihre Kinder auch die christlichen Traditionen kennenlernten, so schmückte jedes Jahr zu Weihnachten ein Christbaum ihre Wohnung. 1915 war für Caroline Lina mit zwei Todesfällen ein schweres Jahr. Erst starb ihre 12-jährige Tochter Irma und wenige Wochen später Carolines Vater Julius Mecca.
Sohn Herbert
Der älteste Sohn Herbert legte sein Abitur in Kassel ab.Bereits 1914 wurde er zum Militär eingezogen und nahm am Ersten Weltkrieg teil. Da war er 18 Jahre alt. Seine Teilnahme war nicht freiwillig, sein Vater hatte ihn dahingehend beeinflusst. Sein Bruder erinnerte sich in einem späteren Interview an die Argumente seiner Eltern, die nachträglich geradezu blauäugig klingen: „You are a German. This country gives us a good living. We can live here, and you go to the army …“. 1917 kam Herbert zur Filmabteilung des deutschen Heeres in Budapest, wo er auch seine ersten Lieder und Novellen verfasste und für Zeitungen schrieb. Nach Kriegsende begann er sein Studium der Germanistik in Berlin. Nebenbei arbeitete er für Filmzeitschriften als Redakteur und Kritiker. Sein Studium beendete er 1923 in Bonn, wo er mit einer Dissertation über Lyrik promovierte. Noch im selben Jahr emigrierte er in die Niederlande. 1924 heiratete Herbert in Utrecht seine aus Berlin stammende Frau Marta Berkowski. Sie war Christin. Die beiden bekamen zwei Kinder. Herbert verdiente den Lebensunterhalt mit Buch- und Briefmarkenhandel und durch die Einnahmen aus dem Berliner Pfeil-Verlag, den er schon während seines Studiums 1922 erworben hatte. 1933 erhielt er ein Publikationsverbot für Deutschlande. Viele seiner Bücher fielen 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer.
1934 besuchte Herbert das letzte Mal seine Eltern in seiner Heimatstadt Kassel. Später erinnerte er sich, wie er seinen Vater auf dem zentral gelegenen Königsplatz davon abhielt, wütend auf eine Gruppe Hitlerjugend loszugehen, die lauthals antisemitische Lieder sang. Ein Jahr später besuchten ihn die Eltern in Utrecht, dort sah er seinen schwerkranken Vater das letzte Mal: „Er reichte mir vom Fenster aus noch einmal die Hand, zog dann das Fenster herauf und verschwand. Und ich stand auf dem Bahnsteig und sagte mir stumm: ‚Dieser Mann war mein Vater, mein innig geliebter Vater – er geht von mir fort, um allein, einsam zu sterben – und ich stehe hier tatenlos – und lasse den gehen, den mir niemals ein anderer Mensch ersetzen wird.‘ Noch heute wird es mir kalt und heiß, wenn ich an diesen Abschied im Oktober 1935 in Utrecht denke …“ Wenige Monate später verstarb Jakob Lewandowski in Kassel. Der Pfeil-Verlag wurde 1935 beschlagnahmt. 1937 emigrierte die Familie nach Frankreich und wurde bei Kriegsbeginn 1939 vorübergehend von den Franzosen interniert. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs wurde Herbert Lewandowski erneut interniert, entkam aber in die Schweiz, wo er von 1942 bis 1945 in schweizerischen Internierungslagern leben musste. Nach dem Krieg entschied er sich mit seiner Familie in der Schweiz zu bleiben.
Schwester Dora Mosberg
Caroline Linas Schwester Dora war mit dem Kaufmann Theodor Mosberg verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Dora arbeitete als Prokuristin im Geschäft ihres Mannes. 1929 verstarb ihr Ehemann. 1936 verstarb auch der Ehemann von Caroline-Lina. Sie und ihre Schwester waren nun Witwen und bezogen zusammen eine Wohnung in der Kasseler Hardenbergstraße 6. Unter dem Druck der zunehmenden Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung flüchtete Caroline Lina Lewandowski im April 1939 in die Niederlande, wo seit 1935 bereits ihr Sohn Hans als Fotograf in Enschede lebte. Ihre Schwester Dora konnte sich wohl nicht für eine Flucht entscheiden. Sie hielt sich nun für kurze Zeit in Freiburg auf, von wo aus sie nach wenigen Wochen wieder nach Kassel zurückkehrte. Am 9. Dezember 1941 musste sie mit über 1000 anderen jüdischen Menschen am Kassler Hauptbahnhof einen Deportationszug „in den Osten“ besteigen. Der Zug `DA 26´ hatte das Ziel Riga. Dora Mosberg überlebte nicht. Ihr erhebliches Vermögen aus dem Erbe ihres Mannes und ihres Vaters wurde vom NS-Staat eingezogen. Von Kassel aus gab es zwischen Dezember 1941 und September 1942 drei große Deportationen von jüdischen Bürgerinnen und Bürgern. Insgesamt wurden 2380 Menschen aus dem Regierungsbezirk Kassel in nationalsozialistische Mordstätten gebracht.
Sohn Paul Walter
Der Sohn Paul Walter Lewandowski arbeitete 1933 in Koblenz als Kaufmann. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten verlor er seine Arbeit und emigrierte im selben Jahr nach Amsterdam in die Niederlande. Er heiratete dort 1935 die aus Wiesbaden stammende Edith Rosenthal. Dem Paar gelang 1937 mit dem Schiff RMS Ausonia rechtzeitig die Emigration in die USA.
Deportation des Sohnes Hans Wolfgang
Sohn Hans war 1935 in die Niederlande geflüchtet. Er wurde 1942 verhaftet und musste am 19. Oktober 1942 mit 1326 jüdischen Menschen im polizeilichen Durchgangslager Westerbork einen Deportationszug besteigen. Das Ziel des Zuges war das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im von den Nazis besetzten Polen. Nach zwei Tagen erreichte der Zug sein Ziel. Im Kalendarium von Auschwitz-Birkenau heißt es zu diesem Transport „… Mit einem Transport des RSHA aus Holland sind 1237 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus dem Lager Westerbork eingetroffen. Nach der Selektion werden 497 Männer, die die Nummern 69212 bis 69708 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen 830 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“ Hans Lewandowski war einer dieser zur Arbeit Ausselektierten und wurde im sogenannten Stammlager Auschwitz untergebracht. Er erhielt die Häftlingsnummer 69448. Die Inhaftierung in Auschwitz überlebte er keine zwei Monate. In den Sterbebüchern von Auschwitz ist sein Tod mit dem 1. Dezember 1942 angegeben.
Deportation nach Sobibor
Caroline Lewandowski hatte in Enschede zusammen mit ihrem Sohn Hans Wolfgang in der Dahliastraat 51 gewohnt. Sie wurde1943 verhaftet und ins polizeiliche Durchgangslager nach Westerbork gebracht. Lina Lewandowski musste sieben Monate nach ihrem Sohn am 11. Mai 1943 einen Viehwaggon besteigen. Es war der 11. Transport, der das Lager Westerbork in Richtung der deutschen Mordstätte Sobibor im heutigen Ostpolen verließ. Mit weiteren 1445 jüdischen Männern, Kindern und Frauen erreichte sie drei Tage später Sobibor. Caroline Lewandowski wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in Sobibor in der Gaskammer ermordet.
Verwendete Dokumente und Literatur
Website Museum Auschwitz-Birkenau
Website des Archivs ITS Arolsen
Website Gedenkbuch des Bundesarchivs
Website Jewish Museum Oregon - Transkript Interviel Paul Walters
Website des Vereins Kassel West
Danuta Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz – Birkenau 1939 – 1945, 1989