Vernichtungslager

Opferzahlen:
In der ersten Phase des Massenmordes in Sobibor – von Anfang Mai bis Ende Juni 1942 – wurden etwa 80-100.000 jüdische Menschen umgebracht. Sie kamen hauptsächlich aus den Ghettos des Distrikts Lublin (mind. 53.000 – 75.000 Menschen), dem Protektorat Böhmen und Mähren (Tschechien, ca. 6.600 Menschen), der Slowakei (24.000 Menschen) und dem Deutschen Reich (Österreich und Deutschland, ca. 7.500 Menschen).

Zwischen Juli und Oktober 1942 waren die Bahngleise  zwischen Chelm und Wlodawa in den Boden gesunken. Dadurch konnten in diesem Zeitraum keine Juden mit der Zug nach Sobibor verschleppt werden.

Während der Instandsetzung der Gleise nutze die SS die Zeit für Umbau und „Verschönerungsarbeiten“ im Lager. Mehrere neue Gebäude wurden errichtet, die zur Verbesserung der Arbeitsstrukturen dienen sollte.
Nachdem die Reparaturarbeiten an den Gleisanlagen beendet waren, kamen ab Anfang Oktober 1942 wieder größere Todeszüge im Lager an.

Nach einem Besuch Heinrich Himmlers im Februar 1943 folgten ab März vier Todeszüge aus dem Sammellager Drancy (im besetzten Teil Frankreichs, ca. 4.000 Menschen), 19 Todeszüge aus dem Lager Westerbork (in den besetzten Niederlanden, ca. 34.000 Menschen) sowie Todeszüge aus dem Reichskommissariaten Weißrussland (ca. 4.000 – 5.000 Menschen) und Litauen (4.300-5.000 Menschen). Kleinere Transporte aus dem Distrikt Lublin und mehrere größere aus dem Distrikt Galizien (ca. 13.000-15.400 Menschen) erfolgten ebenfalls in der Zeit bis Oktober 1943.
Von Mai 1942 bis Oktober 1943 wurden mindestens 170.000 Juden in Sobibor ermordet.

Widerstand:
Trotz der aussichtslosen Lage der Häftlinge kam es immer wieder zu Widerstandshandlungen und Fluchten.
Am 30. Juni 1943 kam ein Transport mit 300 jüdischen Häftlingen aus Belzec in Sobibor an. Diese Häftlinge hatten ein halbes Jahr lang die Spuren des Mordlagers Belzecs verwischen müssen, indem sie die Leichen der dort ermordeten Menschen verbrennen mussten. Man versprach den Häftlingen, dass man sie zum arbeiten nach Deutschland bringen würde. Die Häftlinge des  Sonderkommandos von Belzecs glaubten der SS nicht und versteckten schriftliche Nachrichten in ihrer Kleidung. Bei ihrer Ankunft in Sobibór wehrten sich die Häftlinge als sie aus dem Zug ausstiegen, doch alle Männer wurde an der Rampe erschossen.  Beim Sortieren der Kleidung fanden die Häftlinge von Sobibor die Nachrichten auf denen laut Thomas Blatt u. a. zu lesen gewesen war: „Wir kommen aus Belzec, wo wir ein Jahr arbeiten mussten. Es hieß, sie würden uns nach Deutschland bringen. In den Waggons gibt es Tische. Wir haben für 3 Tage Brot, Konserven und Wodka bekommen. Wenn das eine Lüge ist, solltet ihr wissen, dass auch ihr sterben werdet. Traut den Deutschen nicht, nehmt Rache.“  Das zeigte den Arbeitshäftlingen in Sobibor deutlich, was ihnen bevorstehen wird.
Im Juli 1943 gelang 8 Häftlingen des Waldkommandos die Flucht. Als Vergeltung liess die SS jedoch dutzende Häftlinge vor den Augen der anderen hinrichten.
Aus Angst vor Partisanenangriffen und weiteren Ausbrüchen liess die SS im Sommer 1943 einen Minengürtel um das Lager verlegen. In dieser Zeit entstand auch die Widerstandsgruppe unter der Leitung von Leon Feldhendler. Dieser war, vor seinem Transport im Frühjahr 1943 nach Sobibor, Vorsitzender des Judenrates in Żółkiewka gewesen, einer kleiner Gemeinde im Distrikt Lublin.

Alexander (Sascha) Petscherski

Alexander (Sascha) Petscherski

In der Zusammenarbeit mit Alexander (Sascha) Petscherski, einem jüdischen Offizier der Roten Armee, der am 23. September mit weiteren jüdischen russischen Kriegsgefangenen aus einem Arbeitslager in Minsk nach Sobibor gebracht worden war, wurden die Pläne für einen Aufstand konkreter. Nur ein kleiner Teil der Häftlinge war in die Pläne eingeweiht, da man verhindern wollte, dass die Wachmannschaften etwas von den Plänen mitbekamen. Schon vorher waren Fluchtversuche verraten worden.
Für eine erfolgreiche Durchführung des Aufstandes war es wichtig, dass einige der SS-Wachmannschaften zum Zeitpunkt der Revolte nicht vor Ort waren. Mit Franz Reichsleitner, Hubert Gomerski und vor allem Gustav Wagner befanden sich einige der grausamsten SS-Männer am 14. Oktober 1943 nicht im Lager. Nach einem detaillierten Plan wurden zehn SS-Männer und zwei Trawniki-Männer von den Häftlingen getötet. Um 16.55 Uhr, kurz vor dem täglichen Appell in Lager 1 brach der Aufstand aus. Die nur vereinzelt mit erbeuteten Waffen ausgestatteten Häftlinge stürmten unter den Gewehrsalven der Wachmannschaften aus dem Lager. Viele starben bei dem Versuch, den Zaun und das Minenfeld zu überwinden. Ca. 300 Menschen konnten in die Wälder flüchten. Einige geflohene Häftlinge wurden durch Suchtrupps aufgespürt und ermordet. 60 Häftlinge überlebten die Zeit des Krieges in Verstecken oder bei den Partisanen.
Die im Lager zurückgebliebenen Häftlinge aus Lager 3 und diejenigen, die sich nicht an der Flucht beteiligt hatten, wurden in den folgenden Tagen in Sobibor ermordet.
Einige hundert Häftlinge wurden Ende Oktober 1943 aus dem Arbeitslager Treblinka 1 nach Sobibor gebracht. Sie mussten beim Abriss des Lagers und bei Verladearbeiten helfen. Das Gaskammergebäude wurde gesprengt, die Massengräber mit Sand eingeebnet und mit Bäumen bepflanzt. Allerdings blieben im Gegensatz zu den anderen beiden Vernichtungslagern, einige Gebäude auf dem Lagergelände stehen, darunter ein Großteil des Vorlagers.
Im Juli 1944 drang die Rote Armee in die Gegend um Sobibor vor.

Nachkriegsprozesse:
Erich Hermann Bauer, der sich selbst der „Gasmeister“ von Sobibor genannt hatte, wurde im August 1949 von den beiden Überlebenden Estera Raab und Samuel Lerer in Berlin auf der Straße erkannt und daraufhin verhaftet. Das Berliner Landgericht verurteilte ihn am 8. Mai 1950 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode. Diese wurde in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Erich Bauer starb 1980 in der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin.
Ein zweiter Prozess fand 1950 in Frankfurt am Main statt. Angeklagt wurden Hubert Gomerski und Johann Klier. Hubert Gomerski wurde zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt, Johann Klier dagegen wurde freigesprochen. Überlebende Häftlinge hatten ihn als einen relativ humanen SS-Mann beschrieben.
1965/66 fand vor dem Landgericht in Hagen ein Prozess gegen 12 ehemalige Lageraufseher statt. Die Anklage gegen 11 der Täter lautete Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord.
Sechs der angeklagten Männer wurden wegen Putativnotstands freigesprochen, weitere fünf wurden zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt. Nur Karl Frenzel wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Ihm konnte durch Aussagen Überlebender zusätzlich zum gemeinschaftlichen Mord auch der eigenhändige Mord an sechs jüdischen Häftlingen nachgewiesen werden. Nach einem Revisionsverfahren 1982 wegen einer juristischen Formsache wurde Frenzel seine Strafe erlassen. Nach einer erneuten Verhandlung ein Jahr später, wurde er wieder zu lebenslanger Haft verurteilt. Wegen seines Gesundheitszustandes wurde ihm die Strafe aber erlassen, er lebte bis zu seinem Tod 1996 in einem Altenheim in Hannover.
Franz Stangl, der Kommandant von Sobibor von April bis September 1942, konnte über Italien und Syrien nach Brasilien flüchten. Nach Bemühungen von Simon Wiesenthal konnte er 1967 in Brasilien verhaftet werden und wurde im Sommer des selben Jahres an die BRD ausgeliefert. 1970 wurde er vor dem Landgericht Düsseldorf angeklagt, dies allerdings für seine Beteiligung an den Morden in Treblinka, wo er von September 1942 bis August 1943 Kommandant gewesen war. Er wurde im Dezember 1970 zu lebenslanger Haft verurteilt, legte gegen das Urteil allerdings Revision ein. Er verstarb im Juni 1971 in einem Düsseldorfer Gefängnis an Herzversagen.
Gustav Wagner, einer der brutalsten SS Männer in Sobibor, konnte wie Franz Stangl über die „Rattenlinie“ über Italien und Syrien nach Brasilien flüchten. 1978 wurde er ebenfalls von Simon Wiesenthal  aufgespürt. Stanislaw Szmajzner, ein ebenso in Brasilien lebender ehemaliger Häftling von Sobibor, konnte ihn Identifizieren. Daraufhin wurde Wagner verhaftet. Mehrere Auslieferungsbegehren aus Polen, Österreich, der BRD und Israel wurden von brasilianischen Behörden abgelehnt. Am 3. Oktober 1980 fand man ihn tot in seiner Gefängniszelle. Die offizielle Todesursache lautete Suizid.
In der Nachkriegszeit fanden in der Sowjetunion mehrere Prozesse gegen Trawniki-Männern statt, die sehr oft mit der Todesstrafe endeten.