Sobibor, ein kleines Dorf in der Nähe des Bugs, dem Grenzfluss zwischen dem heutigen Polen und der Ukraine und Weißrussland. Nur wenige Kilometer entfernt liegt die Bahnstation Sobibor an der Bahnlinie zwischen Chelm und Wlodawa. Abgelegen in einem sumpfigen und waldreichen Gebiet, befand sich hier bis ins Jahr 1941 nur eine kleine Förstereisiedlung
Laut einem Bahnarbeiter des kleinen Bahnhofs wurden im Spätherbst 1941 die ersten Aktivitäten der deutschen Besatzer beobachtet, die sich mehrmals im Wald gegenüber des Bahnhofes aufhielten und Messungen durchführten. Anfang Februar 1942 begannen die Bauarbeiten für ein zweites Vernichtungslager nach Belzec, das im Rahmen der Aktion Reinhard im Generalgouvernement zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Betrieb genommen wurde. Die Leitung zum Bau des hier entstehenden Lagers hatte Richard Thomalla. Seit November 1941 leitete er die Zentralbauleitung der SS in Zamosc. Ein Arbeitskommando aus polnischen und jüdischen Arbeitern musste sich am Bau des Lagers beteiligen.
Die deutsche Zivilverwaltung des Kreises Chelm stellte für den Bau Pfähle, Ziegel, Barackenteile und Stacheldraht zur Verfügung. Für weiteres Baumaterial wurden jüdische Häuser in der Umgebung abgerissen.
Die Bauern aus der Umgebung mussten mit ihren Fuhrwerken das Material nach Sobibor transportieren. Das jüdische Arbeitskommando bestand aus ca. 120 jüdischen Häftlingen aus dem Arbeitslager Sawin und dem Ghetto in Wlodawa. Einige wenige Gebäude aus dem Förstereibetrieb wurden in das Lager integriert. So wurde aus dem Postgebäude am Bahnhof die Villa des Kommandanten und aus dem Forsthaus ein Verwaltungsgebäude im späteren Lager 2. Eine kleine katholische Kapelle wurde ebenfalls in das Lagergelände integriert.
In der zweiten Aprilhälfte 1942 kamen SS-Obersturmführer Franz Stangl und 19 weitere Männer nach Sobibor. Fast alle diese Männer waren an den Morden im Rahmen des von den Nationalsozialisten sogenannten `Euthanasie-Programms´, der Aktion T4, beteiligt. Ca. 30 deutsche SS-Männer befanden sich immer gleichzeitig im Lager, etwa 50 waren es im gesamten Zeitraum des Bestehens des Lagers. Franz Stangl wurde erster Kommandant in Sobibor, er arbeitete zuvor als Verwaltungs- und Büroleiter in den T4- Mordanstalten Hartheim und Bernburg. Das deutsche Personal hatte in erster Linie Befehls- und Verwaltungspositionen im Lager inne. Des weiteren dienten ständig 90-120 sogenannte Trawniki-Männer als Wach und Sicherheitspersonal im Lager. Als Trawniki-Männer bezeichnete man die russische Kriegsgefangenen, zumeist Volksdeutsche und Ukrainer, die in Kriegsgefangenenlagern, wie Brest-Litowsk und Chelm, ausgesucht wurden und eine militärische Ausbildung im SS-Ausbildungslager Trawniki erhielten. Diese Männer wurden zum größten Teil für Einsätze im Zusammenhang mit der Ermordung der jüdischen Bevölkerung, zumeist im Generalgouvernement eingesetzt.
Im September 1942 verließ Franz Stangl Sobibor, da er als Kommandant nach Treblinka abkommandiert wurde. Sein Nachfolger wurde bis zur Auflösung des Lagers Ende Oktober 1943 Franz Reichleitner.
Das Lagergelände hatte eine rechteckigen Form von 400 mal 600 Meter. Ein drei Meter hoher, mit Zweigen durchflochtener, doppelter Stacheldrahtzaun sollte den Blick ins Lagerinnere verhindern und jede Flucht unmöglich machen. Sechs Wachtürme wurden in die Lagergrenzen integriert. Am Eingang des Lagers prangte ein Schild mit der Aufschrift „SS-Sonderkommando“.
Im April 1942 wurden die ersten Juden in den Gaskammern von Sobibor ermordet. Die deutschen Täter wollten dabei die Funktionsfähigkeit der Gaskammern ausprobieren. Am 3. Mai 1942 wurden etwa 2.000 Juden aus dem Kreis Zamosc nach Sobibor verschleppt und dort sofort ermordet. Der Mordbetrieb in Sobibor hatte begonnen. Bis zum 12. Mai 1942 waren bereits über 20.000 Juden ermordet morden.
Das Lagerinnere war in drei, ab Sommer 1943 in vier Teile unterteilt. Das sogenannte Vorlager war die Verwaltungszone des Lagers. Hier befanden sich die Unterkünfte für die Deutschen sowie für die Trawniki-Männer. Ein Nebengleis der Hauptlinie endete hier an der Rampe, wo die jüdischen Opfer im Lager ankamen. Seit Anfang Juni 1942 gab es eine Lorenbahn, mit der die Kranken, die Kleinkinder und die auf dem Transport ins Lager verstorbenen Menschen direkt ins Lager 3, dem Todeslager gebracht wurden. Vor Juni ’42 wurden diese Menschen an einer Grube in der Nähe der kleinen Kapelle erschossen.
Abgetrennt durch Zäune schloss sich westlich des Vorlagers das Lager 1 an, das von Karl Frenzel geleitet wurde. Hier befanden sich die Wohnquartiere für die bis zu 300 jüdischen Häftlinge. Des weiteren gab es einige Werkstätten, in denen Schuster, Schneider, Zimmerleute oder Mechaniker arbeiteten. Teilweise dienten die Werkstätten auch als Unterkünfte für die hier beschäftigten Häftlinge. Unter Franz Stangl gab es bis September 1942 einen Goldschmied, der für die Wachmannschaften Schmuck und Verzierungen herstellte.
Lager 2 war der „Aufnahmebereich“ des Lagers. Auf einem größerer teilüberdachter Bereich, mussten sich die Menschen zu jeder Jahreszeit im Freien entkleiden. Ein SS-Mann, zu Beginn war dies Hermann Michel, hielt hier seine Ansprache, bei der er den Opfern vorgaukelte, sie wären in einem Umsiedlungslager und müssten duschen um anschließend zur Arbeit geschickt zu werden. Seine Ansprache beruhigten die angekommenen Menschen, die unter Gewalt aus dem Zug getrieben wurden.
Im Sommer 1942 baute man zusätzliche Magazine zur Lagerung der geraubten Gegenstände der Opfer, und eine kleine Landwirtschaft mit Pferde-, Kuh-, Hühner- und später auch Kaninchenställen entstand. Von Lager 2 zu Lager 3 führte ein etwa 150 m langer und 3-4 m breiter Pfad, der von beiden Seiten mit Stacheldraht umzäunt und mit Zweigen durchflochten war, um jede Einsicht zu verwehren. Am Ende dieses sogenannten „Schlauchs“ befand sich das Lager 3. Durch den Pfad wurden die Opfer nackt zu den Gaskammern in Lager 3 getrieben. Vorher wurde den Frauen ab 1943 in einer neu errichteten Baracke die Haare abgeschnitten.
Die Gaskammern befanden sich in einem Backsteingebäude, das im Sommer 1942 in seiner Größe erweitert wurde.
(Die einzelnen Kammern waren wahrscheinlich quadratisch, ca. 16 qm² groß. Im Spätsommer 2014 fanden Archäologen die Reste der Gaskammern. Die offiziellen Ergebnisse der Untersuchungen des Gebäudes sind noch nicht bekannt.)
Ein 200 PS starker Motor, der das tödliche Kohlenmonoxid erzeugte, stand in einem angebauten Schuppen und wurde aus Lemberg (heute Lviv) nach Sobibor gebracht. In den Kammern befanden sich Brause-Attrappen, um die Opfer bis zuletzt im Glauben zu lassen, dass sie duschen würden. Jede Kammer hatte einen zweiten Ausgang, durch die man die Leichen der Opfer nach der Vergasung herausbringen konnte. Eine kleine Lorenbahn verband die Gaskammern mit den Leichengruben. Dort wurden die Leichen anfangs in großen Gruben verscharrt, ab Spätherbst 1942 auf großen Scheiterhaufen verbrannt.
Ab Sommer 1943 begann man mit dem Ausbau von Lager 4 im nordöstlichen Bereich des Lagers. Auf Befehl Heinrich Himmlers sollte im Lager Beutemunition für die Wehrmacht gelagert und aufbereitet werden, dazu wurden mehrere bunkerähnliche Gebäude errichtet.
Aus den ersten Transporten im Mai 1942 wurde mehrere Häftlinge ausgesondert, die im Lager in verschiedenen Kommandos arbeiten mussten. Die Anzahl der Häftlinge die gleichzeitig im Lager waren, umfasste teilweise bis zu 1000 Häftlinge, die für die im Lager anfallenden Arbeiten eingesetzt wurden. Im Bahnhofskommando arbeiteten einige Dutzend Häftlinge an der Rampe, die dafür zu sorgen hatten, das das „Entladen“ der Menschen reibungslos ablief. Sie halfen den Menschen beim Aussteigen und mussten anschließend die Rampe und die Waggons reinigen. Ein größeres Kommando arbeitete in den Sortierbaracken, in denen der zurückgelassene Besitz der Opfer sortiert und für die Weiterverwendung vorbereitet wurde. Einige Männer arbeiteten im sogenannten Waldkommando, sie mussten Holz heranschaffen, das für den Ausbau des Lagers und zum Verbrennen der Leichen benötigt wurde.
Ein Arbeitskommando aus 300 Häftlingen wurde in Lager 3 dazu gezwungen, die Ermordeten aus den Gaskammern zu den Massengräbern zu bringen und die Gaskammern zu säubern. Auch das Verbrennen der Leichen ab Spätherbst 1942 musste durch dieses jüdisches Arbeitskommando durchgeführt werden. Den Häftlingen in Lager 3 war jeder Kontakt zu den Häftlingen in anderen Lagerbereichen strengstens verboten.
Das Lagerleben war strengsten Regeln unterworfen. Jedes Vergehen in Augen der SS wurde mit schwerer Prügelstrafe oder dem Tod bestraft. Immer wieder dachten sich die Wachmannschaften sadistische „Spiele“ aus, um die Häftlinge zu quälen. Verletzte, Kranke und nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge wurden selektiert und durch neu angekommene Häftlinge ersetzt.