Anna Spanjer, geborene Cossmann
geboren am 9. Mai 1904 in Bielefeld, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ermordet am 30. April 1943 im deutschen Mordlager Sobibor
Familie
Lebensdaten
Biografie
Anna Spanjer wurde 1904 in Bielefeld geboren. Ihre Eltern waren Frieda und Jacob Cossmann. Annas acht Jahre ältere Schwester hieß Margarete. Die Familie lebte in der Niedernstraße 30 in Bielefeld und betrieb verschiedene Bekleidungsgeschäfte. Die Familie schien einigermaßen gut gestellt zu sein, 1921 und 1927 suchte sie per Zeitungsanzeige ein Hausmädchen.
Anna Spanjer erhielt 1920 das Reifezeugnis der 1. Klasse der Kaiserin-Auguste-Victoria Schule. 1921 beendete Anna ihre schulische Ausbildung mit dem Abschluss der Höheren Handelsschule.
Vermutlich Anfang 1934 verstarb ihr Vater Jacob in Bielefeld, er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Bielefeld bestattet.
Am 21. April 1935 verlobte sich Anna mit dem aus Frankfurt stammenden Bernard Spanjer. Er war von Beruf Kaufmann.
Flucht in die Niederlande
1936 floh Anna in die Niederlande, noch im selben Jahr heiratete sie Bernard Spanjer. Sie wohnten in Amsterdam, zuletzt in der Deltastraat 6 II.
Zwei Zeitungsanzeigen weisen auf ihr Leben in Amsterdam hin. Am 19.4.1939 boten sie im Nieuwe Tilburgsche Courant die Ausbesserung von Kleidung in einem Laden in der Noorder Amstellaan 100 in Amsterdam an. In einer Zeitungsanzeige im Het Joodsche Weekblad vom 20. November 1942 suchten Anna und Bernard Spanjer eine Hausangestellte für halbe Tage.
Im Mai 1940 hatten die Deutschen die Niederlande besetzt. Die ohnehin angespannte Situation der jüdischen Flüchtlinge Niederlanden verschärfte sich damit bedrohlich. Auch für Anna und Bernard Spanjer. Sie wurden verhaftet und im April 1943 in das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork verschleppt.
Das „Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ diente als Konzentrationslager in Vorbereitung der Deportationen v.a. der jüdischen Flüchtlinge und niederländischen Jüdinnen und Juden in die deutschen Todeslager. Von hier wurden zwischen 1942 und 1944 107.000 Jüdinnen und Juden in den Osten verschleppt – 19 Transporte mit über 34.000 Menschen verließen Westerbork mit dem Ziel Sobibor. 65 Transporte mit 57.000 Jüdinnen und Juden verließen Westerbork mit dem Ziel Auschwitz-Birkenau.
Am 27. April 1943 mussten Anna und Bernard Spanjer in Westerbork einen Deportationszug besteigen, zusammen mit weiteren 1202 Jüdinnen und Juden. Der Zug brauchte drei Tage, bevor er sein Ziel erreichte. Am 30. April 1943 kam der Zug im deutschen Mordlager Sobibor im heutigen Ostpolen an. Anna und Bernard Spanjer wurden direkt nach ihrer Ankunft in Sobibor ermordet.
Mutter Frieda Cossmann
Wann Annas seit 1934 verwitwete Mutter Frieda von Bielefeld nach Köln verzogen war, ist nicht bekannt. Sie wohnte dort bei ihrer älteren Tochter Margarete und deren Ehemann Hugo Meyer und mit der Enkelin Ruth-Marion. Im Juni 1939 floh die Mutter weiter nach Amsterdam und lebte dort bei ihrer jüngeren Tochter Anna und deren Ehemann. Vermutlich überlebte sie in einem Versteck. Sie verstarb 1955 in ´s-Gravenhage in den Niederlanden.
Schwester Margarete und Nichte Ruth-Marion Meyer
Annas Margarete Cossmann heiratete im Juni 1919 den aus der Nähe von Köln stammenden Hugo Meyer. Deren Tochter Ruth Marion wurde am 7. September 1925 im St. Franziskus Hospital in Bielefeld geboren.
Nach der Pogromnacht 1938 gelang es, für die nun 13-jährige Nichte Ruth Marion einen Platz in einem Kindertransport in die Niederlande zu ergattern. Ruth Marion wurde am 28. November 1938 im Mädchen-Waisenhaus in Amsterdam untergebracht.
Von September 1938 bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nahm England etwa 10.000 Kinder bei sich auf, weitere 10.000 fanden Aufnahme in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, in der Schweiz und in Schweden. Viele dieser Kinder entgingen mit dieser Hilfsmaßnahme der Ermordung durch die Nationalsozialisten. Für fast alle dieser Kinder war diese Trennung von ihren Eltern eine endgültige und bedeutete ein Trauma auf Lebenszeit.
Annas Schwester Margarete, die Mutter von Ruth Marion, war offensichtlich die Flucht nach Großbritannien gelungen. Sie wohnte 1939 in Hendon, England, wo sie als Hausangestellte arbeitete. Ihr Ehemann scheint verstorben zu sein. Der Familienstand von Margarete Meyer, geborene Cossman, wurde in den Unterlagen der Volkszählung in England von 1939 als „verwitwet“ angegeben.
Die 17-jährige Ruth-Marion lebte ab Anfang Juli 1942 bei der Familie ihrer Tante Anna Spanjer. Sie wurde verhaftet. Am 15.7.1942 wurde sie über Westerbork in das Konzentrations- und Todeslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Ihr offizielles Todesdatum ist dem 30. September 1942 angegeben.
Verwendete Dokumente und Literatur