'Jenia' Eugenie Goldstern
geboren am 1. März 1884 in Odessa, Russisches Kaiserreich
ermordet am 8. Juni 1942 in der deutschen Mordstätte Sobibor
Familie
Lebensdaten
Jenia in Südtirol
Porträt Eugenie
Dissertation von Eugenie Goldstern
Der Gedenkstein für Eugenie Goldstern in der Gedenkstätte Sobibór wurde von der Gemeinde Silbertal im Montafon/ Österreich gestiftet.
Biografie
Kindheit in Odessa
Eugenie Goldstern wurde als jüngstes Kind einer kinderreichen Familie mit vermutlich dreizehn Geschwistern in Odessa im damaligen russischen Kaiserreich geboren. Der Vater Abraham Goldstern war Getreidegroßhändler. Die Familie war wohlhabend und assimiliert. Die Eltern konnten ihren Kindern eine gute Schulbildung bieten. Eugenie Goldstern besuchte das Mädchengymnasium in Odessa. Wegen des wachsenden Antisemitismus und der Pogrome in ihrer Heimatstadt verließ die Familie Odessa 1905 in Richtung Wien. Hilfreich war dabei, dass der in Lemberg (Lviv) geborene Vater die österreichische Staatsbürgerschaft hatte. Einige von Eugenies Brüdern waren schon in den Jahren zuvor nach Wien ausgewandert und arbeiteten dort.
Flucht nach Wien
Auf dem Gebiet Österreichs gab es schon seit dem 12. Jahrhundert jüdische Gemeinden. Mit der Industrialisierung, der eine Gleichstellung der Juden folgte, zog es im 19. Jahrhundert viele Juden nach Österreich, vor allem nach Wien. Sie spielten in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft eine wichtige Rolle. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten etwa 200.000 jüdische Bürger in Wien. 65.000 Wiener Jüdinnen und Juden fielen der Shoa zum Opfer. Noch im Jahr des Umzugs nach Wien verstarb Eugenie Goldsterns Vater Abraham im Alter von 73 Jahren, die Mutter Marie verstarb acht Jahre später mit 68 Jahren.
Studium der Ethnologie
Eugenie beschloss, Volkskunde in Wien bei dem angesehenen Ethnologen Michael Haberlandt zu studieren. Wegen ihrer russischen Herkunft konnte sie allerdings nur als Gasthörerin teilnehmen. Im Rahmen ihrer Studien war sie mehrere Jahre in den österreichischen, französischen und schweizerischen Alpenregionen zu Feldstudien tätig. Sie legte 1921 im schweizerischen Fribourg im Üechtland ihre Promotion zum Thema Hochgebirgsvolk in Savoyen und Graubünden ab. Eugenie Goldstern war in ihrem Denken und der Rezeption ihrer Studien ihrer Zeit weit voraus. Ihre Arbeiten werden bis heute beachtet und genutzt. Der Name Goldstern ist im Gebiet Maurienne in den französischen Westalpen auch aktuell ein Begriff. Nach ihrer Promotion kehrte Eugenie Goldstern nach Wien zurück, konnte beruflich am männerdominierten ethnologischen Institut allerdings nicht Fuß fassen. Die aufsteigende rassistische und antisemitische Ideologie im Umfeld der Volkskundeforschung an der Wiener Universität ließ ihr keine Möglichkeit, ihre wissenschaftliche Arbeit in Wien fortzusetzen. Sie litt zeitweise unter Depressionen. Die unverheiratete Eugenie Goldstern lebte in Wien bei der Familie ihres Bruders Samuel Goldstern, der ein Sanatorium leitete und sie finanziell unterstützte.
Ausgrenzung und Verfolgung
Mit dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 verschlimmerte sich die Situation für die jüdische Bevölkerung in Österreich. Die Klinik ihres Bruders Samuel wurde 1938 arisiert, er verstarb im Jahr darauf. Schon zu Beginn des Jahres 1941 begann eine große Deportationswelle aus Wien. Eugenie Goldstern musste am 5. Juni 1942 mit weiteren 1.000 Jüdinnen und Juden am Wiener Aspangbahnhof in einen Deportationszug steigen. Nach einer dreitätigen Fahrt erreichte der Zug das deutsche Mordlager Sobibor im heutigen Ostpolen am 8. Juni 1942. Es ist davon auszugehen das Jenia Eugenie Goldstern in Sobibor direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurde.
Ermordung des Bruders in Sobibor
Ihr Bruder Salomon, von Beruf Ingenieur, war bereits 1933 in die Niederlande ausgewandert. Er war verheiratet mit Edith Kunke. Das Paar hatte drei Kinder. Die Ehefrau Edith Goldstern war im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz inhaftiert und überlebte. Die drei Kinder haben den Holocaust in den Niederlanden überlebt. Salomon Goldstern wurde von Westerbork aus deportiert und am 11. Juni 1943 unmittelbar nach seiner Ankunft in Sobibor ermordet.
Verwendete Dokumente und Literatur
Keintzel, Brigitta, Wissenschaftlerinnen in und aus Österreich: Leben-Werk-Wirken, 2002
Website Albert Ottenbacher zur Geschichte von Eugenie Goldstern
Website Dokumentationsarchiv österreichischen Widerstands
Website Hohenems Genealogie - Jüdische Familiengeschichten in Voralberg und Tirol