Emilie Braunschild, geborene Löwenstein
geboren am 9. April 1887 in Peckelsheim, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
ermordet am 5. März 1943 im deutschen Mordlager Sobibor
Familie
Lebensdaten
Biografie
Emilie Löwenstein wurde 1887 in Peckelsheim in Nordrhein-Westfalen geboren. Ihre Eltern waren Rosa Löwenstein, geborene Lebach und Samuel Löwenstein. Ihr Vater war Viehhändler. Ob Emilie Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Ebenso gibt es für Sie keine Hinweise auf eine beruflichen Ausbildung. In der Karteikarte des Jüdischen Rates in Amsterdam ist bei Berufsangabe „ohne“ eingetragen. In Peckelsheim waren ab dem 17. Jahrhundert jüdische Familien beheimatet. Ab dem 19. Jahrhundert gab es eine Synagoge, eine jüdische Schule, einen jüdischen Friedhof. Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch zwei jüdische Familien in Peckelsheim. Beim Pogrom 1938 wurde der Betraum verwüstet. Die letzte noch ansässige Familie verließ Ende 1938 den Ort. Als einziger jüdischer Bewohner blieb ein Verwandter von Emilie in Peckelsheim, der nach Theresienstadt verschleppt wurde und dort verstarb. Emilie heiratete mit 33 Jahren im September 1908 Albert Samuel Braunschild aus Nieheim. 1909 wurde ihre Tochter Gertrude Berta geboren, zwei Jahre später ihr Sohn Kurt. 1913 zog die Familie nach Paderborn. Ihr Ehemann Albert nahm als Soldat im Ersten Weltkrieg. Sie selbst zog mit ihren Kindern zurück nach Nieheim, vermutlich zu den Eltern ihres Ehemannes. Nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1925 siedelte die Familie wieder nach Paderborn um, wo sie in der Bleichstraße 25 und ab 1933 in der Fürstenbergstraße 41 lebten. Ehemann Albert arbeitete als Kaufmann in einer Werkstatt zur Herstellung von Räuchergeräten. Sohn Kurt machte nach seiner Schule eine kaufmännische Ausbildung an einer Maschinenbauschule in Lage und sein Volontariat in Paderborn. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten floh er im Juli 1933 in die Niederlande und ließ sich in Amsterdam nieder. Die Familie zog 1934 nach Bielefeld und im Jahr 1938 nach Essen. In der Pogromnacht im November 1938 wurde die Wohnung der Familie in Essen vollkommen zerstört, Albert Braunschild verhaftet und für zwölf Tage festgehalten. 1938 holte Sohn Kurt erst seine Schwester Gertrud Berta nach Amsterdam und später, nach seiner Haftentlassung, auch seine Eltern.
Nach der deutschen Besetzung der Niederlande im Jahr 1940
Tochter Getrud Berta heiratete im März 1940 in Amsterdam den aus Meiderich stammenden Joseph Rosendahl. Nur wenige Wochen später holte die Familie die Verfolgung durch die Nationalsozialisten ein. Im Mai 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht die Niederlande. In Amsterdam musste die Familie sehr oft die Wohnung wechseln. So war beispielsweise Tochter Gertrud innerhalb vier Jahren an 13 verschiedenen Adressen polizeilich gemeldet. Schwiegersohn Joseph Rosendahl gelang es nach England zu flüchten, Tochter Gertrud blieb in Amsterdam. Sohn Kurt Braunschild heiratete im Herbst 1941 in Amsterdam die aus Ostfriesland stammende Mathilde Tilly Cohen. Schon 1942 wurden beide im Polizeilichen Durchgangslager Westerbork interniert.
Deportation des Sohnes und seiner Ehefrau und Auschwitz
Das „Polizeiliche Judendurchgangslager Westerbork“ diente als Konzentrationslager in Vorbereitung der Deportationen v.a. der jüdischen Flüchtlinge und niederländischen Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager. Von hier wurden zwischen 1942 und 1944 insgesamt 107.000 Jüdinnen und Juden in den Osten verschleppt - 19 Transporte mit über 34.000 Menschen verließen Westerbork mit dem Ziel Sobibor. 65 Deportationszüge fuhren zwischen 1942 und 1944 in die Mordstätte Auschwitz – Birkenau. Am 19.10.1942 mussten Sohn Kurt und seine Frau Mathilde einen Deportationszug besteigen und wurden in das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt. Mathilde wurde unmittelbar nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet. Im Kalendarium von Auschwitz ist dazu zu lesen: „Mit einem Transport des RSHA aus Holland sind 1327 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus dem Lager Westerbork eingetroffen. Nach der Selektion werden 497 Männer, die die Nummern 69212 bis 69708 erhalten, als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen 890 Deportierten werden in den Gaskammern getötet.“ Mathildes Ehemann Kurt Braunschild überlebte vorerst. Er wurde in Auschwitz in das Lager aufgenommen und erhielt die Häftlingsnummer 69254. Seine Häftlingsnummer ist unter dem 5. Januar 1943 im Leichenhallenbuch aufgeführt. An diesem Tag führte der SS-Lagerarzt eine sogenannte Selektion im Krankenrevier des“ Stammlagers“ in Block 28 durch, bei der 56 Häftlinge mit Phenolspritzen getötet wurden. Kurt Braunschild war einer von ihnen.
Deportation von Albert und Emilie Braunschild nach Sobibor
Im Februar 1943 wurden auch Emilie und ihr Ehemann Albert Braunschild nach Westerbork verschleppt. Schon einige Wochen später, am 2. März, mussten sie mit weiteren 1003 Jüdinnen und Juden den Deportationszug besteigen. Nach einer dreitägigen Fahrt erreichten sie am 5. März das deutsche Mordlager Sobibor im heutigen Ostpolen. Die 55-jährige Emilie und der 68-jährige Albert Braunschild wurden direkt nach ihrer Ankunft in Sobibor ermordet.
Tochter Gertrud
Ihrer Tochter Gertrud gelang es zu überleben. Sie wurde im Frühjahr 1943 in den Niederlanden verhaftet und nach Westerbork verschleppt, später in das „Austauschlager“ Bergen-Belsen, vermutlich weil ihr Ehemann in England lebte. Anfang April 1945, als die alliierten Truppen sich Bergen-Belsen näherten, wurde sie mit mehrere Tausend Mithäftlingen nach Theresienstadt deportiert. Während dieser Fahrt wurde sie bei Tröbitz von sowjetischen Truppen befreit. Sie emigrierte zu 1949 nach England zu ihrem Ehemann, dem rechtzeitig die Flucht gelungen war. Sie starb 1998 in Hove, England.
Verwendete Dokumente und Literatur
Website des Archivs ITS Arolsen
Website Gedenkbuch des Bundesarchivs
Website zur jüdischen Geschichte Höxters
Danuta Czech, Das Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939 – 1945, 1989, S. 323 und 377